Das Kommen & Gehen der IT-Giganten

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thom45

Stammgast
Eine kleine ATARI-ST-Geschichte

"Der Atari ST wurde auch prompt zum Verkaufsschlager – allerdings vorrangig in Deutschland." Das und der Rest das da geschrieben ist, ist nur eine Teiltatsache...

Es ist nicht richtig, dass die ATARI-STs nur am Rande angedeutet und das Hauptthema immer wieder auf den Spiel(Konsolen-)Bereich reduziert wird.

In den Jahren nach 1985 bis gut in das erste Drittel der 1990er-Jahre etablierte und bewährte sich dieser Rechner in den (elektro-)technischen Sektoren in den Technischen Hochschulen in Deutschland und in der Schweiz enorm.

Ich habe u.v.a. spezielle AD-/DA-Wandlersysteme fuer die ROM-Port-Schnittstelle entwickelt, die für Semester-, Diplomarbeiten und Dissertationen im Bereich der Elektrotechnik und Signalverarbeitung zum Einsatz gekommen sind. Ja sogar auch für die Textverarbeitungen mit LaTEX waren diese Rechner stark im Einsatz. Damit wurden damals sehr viele Dissertationen schriftlich verfasst.

RADIO PILATUS: Die gesamte technische Steuerung dieses Privatradio wurde mit ATARI-STs damals ausgestattet. Da mich das als Elektroniker besonders interessierte, habe ich von Radio Pilatus die gesamten Unterlagen bekommen. So etwas einfach am Rande erwähnt...

Und die Aussage, dass die Software damals so dünn war, ist auch eine Verzerrung. Die Menge an Software die zur Verfügung stand, war gross und besonders stark war der Einsatz der Public-Domain-Programmierer. Das Angebot bei unterschiedlichen FTP-Servern war sehr gross. Ich weiss das sogar sehr genau, weil ich damals selbst kleinere Elektronik-Rechenprogramme entwickelt und gepflegt habe und auf mehrere FTP-Servern, also solche die selbst gut gepflegt waren, kopiert habe. Ich selbst habe mich für ander Programme als Betatester eingesetzt, - z.B. KANDINSKY ein objektorientiertes Zeichnungsprogramm.

Für meine persönlichen Zwecke benutze ich selbstverständlich heute ATARI-ST-Emulatoren unter TOS-1.04. Auf einem WinXP-PC ist es der STEEM und auf meinem Mac-mini unter SL ist es HATARI, den es übrigens auch unter Win und Linux gibt.

Warum ATARI den Bach runter ging, hat verschiedene Gründe. Der eigentliche Grund heisst Jack Tramiel. Er wollte mit ATARI auch noch das PC-Geschäft aufziehen und wollte sich stark machen mit einem Parallelrechner-System. Dieser war zwar sehr gut für komplexe Simulationen, alles zusammen überforderte jedoch ATARI.

Dies hatte zur Folge, dass Jack sein Versprechen das Workstation-Modell ATARI-TT mit der Motorola-CPU MC68030 rechtzeitig auf den markt zu bringen, nicht einhalten konnte. Dies verärgerte zusehends u.v.a. die betroffenen Hochschulinstitute in Deutschland und in der Schweiz enorm. Dann kam sehr schnell das Aus am Interesse, als die ersten SUN-Workstation in der Morgendämmerung erschienen sind, - ebenfalls anfänglich mit einem MC68030 ausgestattet...

Ich weiss nicht ob der folgende Satz wirklich stimmt. Man munkelte, dass der Jack ATARI kaputt gemacht habe, wie er einst Commodore geschadet hat. ATARI hätte vielleicht eine bessere Zukunft gehabt, wenn man den Chef rechtzeitig über Bord geschmissen hätte. Dass man das Betriebssystem TOS - das damals eine tolle Sache war - nach dem Jack benannte (TOS = Tramiel-Operating-System) war aus meiner Sicht völlig daneben. Verdient hatte Jack das jedenfalls nicht!

Soviel zur ATARI-Geschichte. Einen kleinen ergänzenden Beitrag von mir.

Sollten (Ex-)ATARIaner diese Zeilen lesen und sind selbst noch hie und da mit diesem System beschäftigt, auf eine EMail "sthom45@gmx.ch" würde ich mich jederzeit freuen.
 

soundnet

Stammgast
Hi

Und noch eine Ergänzung: Der Atari war auch in Musikstudios sehr beliebt und der legendäre C-Lab Notator SL war ein Muss auf diesem Rechner. Nicht nur war der Atari noch einer jener Computer, welche man einfach einschalten konnte und dann lief er, er war zudem mit seinem kontrastreichen Schwarz-weiss-Bildschirm auch in längeren Recordingsessions angenehm zum Bedienen. Es war mit dem Atari sogar möglich, eine grosse 24-Spur-Bandmaschine zum Computer zu synchronisieren und die Audiokanäle der Bandmaschine mit dem Creator zu steuern, also einen automatisch ablaufenden Mix herzustellen. Zusätzlich liefen ab Atari die MIDI-Spuren mit. Dies war insofern eine Revolution als solche Settings bis dahin nur den teuersten Profistudios vorenthalten waren.
Der Notator war eine Weiterentwicklung vom Programm Scoretrack, welches als ROM-Modul für den Commodore 64 ausgeführt war und sogar Notendarstellung beherrschte. Die Firma wechselte dann den Namen zu Emagic und brachte als Weiterentwicklung das Programm Notator zuerst für Atari und dann für PC heraus. 2002 wurde die Firma von Apple aufgekauft und die Programme werden seither nur noch für Apple hergestellt.

Gruss aus dem Süden
Fido
 

thom45

Stammgast
Ein mageres Top-OS...

Hi

Und noch eine Ergänzung: Der Atari war auch in Musikstudios sehr beliebt und der legendäre C-Lab Notator SL war ein Muss auf diesem Rechner. Nicht nur war der Atari noch einer jener Computer, welche man einfach einschalten konnte und dann lief er, er war zudem mit seinem kontrastreichen Schwarz-weiss-Bildschirm auch in längeren Recordingsessions angenehm zum Bedienen. Es war mit dem Atari sogar möglich, eine grosse 24-Spur-Bandmaschine zum Computer zu synchronisieren und die Audiokanäle der Bandmaschine mit dem Creator zu steuern, also einen automatisch ablaufenden Mix herzustellen. Zusätzlich liefen ab Atari die MIDI-Spuren mit. Dies war insofern eine Revolution als solche Settings bis dahin nur den teuersten Profistudios vorenthalten waren.
Der Notator war eine Weiterentwicklung vom Programm Scoretrack, welches als ROM-Modul für den Commodore 64 ausgeführt war und sogar Notendarstellung beherrschte. Die Firma wechselte dann den Namen zu Emagic und brachte als Weiterentwicklung das Programm Notator zuerst für Atari und dann für PC heraus. 2002 wurde die Firma von Apple aufgekauft und die Programme werden seither nur noch für Apple hergestellt.

Gruss aus dem Süden
Fido

Hallo Fido,

Und wenn man bedenkt, wenn man es auf das TOS-1.04 bezieht, dass das ganze Betriebssystem inklusive der GEM-Oberfläche und auch damit die graphische Programmierungseinheiten des VDI und AES zur Verfügung stand, nur 192 kByte (6 x 32-kByte ROM) benötigte.

Für ein TOS-Update erstelle man mit einem EPROM-Programmiergerät einfach 6 neue EPROMs. Und beim nächsten Update löschte man diese mit einer UV-Blitzpistole und ladete sie neu.

Erinnerst Du Dich vielleicht noch an die Programiersoftware PINATUBO? War natürlich wie sehr Vieles Freeware.

Natürlich durfte man bei der graphischen Oberfläche noch nicht all zu viel erwarten, darum ging es auch gar nicht lange, und zwei "Hinterhofprogrammierer" programmierten in Eile die sehr gute erweiterte GEM-Oberfläche GEMINI, der ich auch bei den Emulatoren bis heute treu geblieben bin. Das war die erste graphische Oberfläche überhaupt mit der man Programm-, Daten- und Ordner-Icons auf der Oberfläche platzieren konnte. Das war so um 1987/88. Das gab es in der PC-Welt noch sehr lange nicht. Bei Amiga und Apple schon, aber wann's bei denen soweit war, weiss ich nicht mehr.

Vorteilhaft für diese ganze Entwicklung war der Motorola-Prozessor MC68000 und seine Nachfolger mit dem grossen Addressierungsraum. Da gab es das Riesentheater mit Expanded- und Extendet-Memory nicht. Ich erinnere mich noch zurück, an die Zeiten als ich miterlebte, wo meherer PC-Gurus um ein Programm brueteten, weil es mit dem
Expanded- und Extendet-Memory alles gab, vom normalen Ärgern bis zum Riesenanfall. :-)

Interessante Überlegung: Was wäre wohl besser geworden, wenn sich GEM und Windows parallel ein Wettrennen bis heute auf unterschiedlichen Plattformen geliefert hätten. Das wird wohl für immer eine Spekulation bleiben...

Aber eines weiss man: Oft entscheidet die Poltik und nicht die Qualität. So war es z.B. beim Videosystem. VHS machte das Rennen, obwohl Grundig2000 und BetaMax (Sony) wären qualitativ besser gewesen.
 
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